Schlauchlining vs. Lining mit aufgetragenem Polymaterial
Schlauchlining und Lining mit aufgetragenem Polymaterial eigenen sich für die Sanierung von innerhäuslichen Abwasserrohren. Letzteres wird laut Rohrleitungsverband (RSV e.V.) vor Ort an die Rohrinnenwand der Altrohre mit dem Sprüh-Schleuderverfahren aufgetragen. Beim Schlauchlining hingegen wird ein reaktionsharzgetränkter Schlauch in das alte Abwasserrohr gezogen und vor Ort ausgehärtet. Wofür sollte man sich nun entscheiden? Wo liegen die Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren?
Im Kanalbereich (Tiefbau), also bei Abwasserrohren von größer DN 250, hat das Schlauchlining ganz klar die Nase vorn. Hier wäre der Einsatz des Linings mit aufgetragenem Polymaterials ineffektiv. Im innerhäuslichen Bereich (Hochbau), sprich bis zur Grundstücksgrenze, sieht es schon anders aus. Hier sind Abwasserrohre mit kleineren Nennweiten, zahlreichen Verzügen, Bögen und Verzweigungen anzutreffen.
Stärken von Schlauchlining
Die Stärken von Schlauchlining liegen vor allem im Sanieren von Abwasserrohren ohne Verzweigungen. Hier ist dieses Verfahren durchaus wirtschaftlicher und schneller als das Linerverfahren mit aufgetragenem Polymaterial. Die Technik ist mittlerweile so ausgereift, dass die Abwasserrohre ohne lange Trocknungszeiten langlebig saniert werden können.
Schwächen von Schlauchlining
Aufwändig und schwieriger wird es bei Abwasserleitungen mit mehr als zwei Verzweigungen, denn jeder Abzweig zu den weiterführenden Abflussrohren muss ausgefräst werden. Um eine Hinterläufigkeit des Liners zu verhindern, müssen nun Hutprofile eingesetzt werden, die garantieren, dass das neue Rohr absolut dicht wird. Insbesondere bei Dimensionen von kleiner als 100 kommt dieses Verfahren im Strangbereich an seine Grenzen. Denn mit diesem Durchmesser wird es technisch sehr umständlich Hutprofile zu setzen. Werden die Hutprofile nicht gesetzt, können die neuen Abwasserrohre hinterläufig werden und durch das relativ hohe Eigengewicht des Liners somit die Haftung im Strang verloren gehen. Dies bedeutet, der Liner kann in der Fallleitung verrutschen oder schlimmstenfalls in sich zusammensacken.
Stärken des Linings mit aufgetragenem Polymaterials
Ein Ausfräsen von Abzweigen ist diesem Verfahren nicht notwendig. Hier wird das gesamte Rohrsystem durch die Beschichtung auf der Rohrinnenseite als Ganzes „nachgebaut“. Damit ist eine dauerhafte statische Tragfähigkeit gegeben und eine Hinterläufigkeit ausgeschlossen. Zudem bleiben so die formgebenden Eigenschaften des Rohres erhalten, die beispielsweise für die Schalldämpfung und die Fließeigenschaft eine Rolle spielen. Von Vorteil ist auch der Einsatz von viel kleineren und flexibleren technischen Geräten, sodass nur kleine Zugänge zum Rohr vonnöten sind. Auch das Eigengewicht des neuen Rohres ist geringer.
Schwächen des Linings mit aufgetragenem Polymaterials
Die Schwäche dieses Systems liegt bei der Sanierung von Grundleitungen. Da die Altrohre für eine Beschichtung komplett trocken sein müssen, können vor allem Rohre aus Steinzeug bzw. Tonrohre nur eingeschränkt saniert werden. Tonrohre haben die Eigenschaft Grundwasser oder Wasser von stark aufgeweichten Böden durch ihre Porosität aufzunehmen. Auch nach einer Trocknung sickert immer wieder Wasser nach. Da so das aufgetragene Material nicht haften kann, ist die Sanierung mit diesem Verfahren nahezu unmöglich. Hier wäre nun wieder das Schlauchlining die bessere Wahl.
Glossar
Polymermaterial = Kunststoff
Abzweige = Verbinde- oder Übergangsstück zwischen horizontalen und vertikalen Rohren
Hutprofile = Anschlusspassstück
Strang oder Fallleitung = vertikale Rohrleitung im mehrstöckigen Gebäude, die das Abwasser aus den Wohnungen in Richtung Grundleitung leitet
Grundleitung = horizontale Abwasserleitung im Erdreich oder in der Bodenplatte, welche das Abwasser aus dem Haus in den Anschlussschacht leitet
Hinterläufigkeit = Undichtigkeit